Frühjahrssegeln mit der Hendrika Bartelds 2018

 

Tag 8

 

Auch Enkhuizen kann auf eine jahrhundertealte Geschichte zurückblicken. Hier gab es bereits um das Jahr 1000 eine Siedlung; das Stadtrecht gab es 1355. Der Ort entwickelte sich zu einem wichtigen Zentrum der Heringsfischerei, neue Häfen wurden gebaut, und um 1600 waren 300 der insgesamt 500 Heringsfangschiffe Hollands von Enkhuizen aus aktiv.

Heute profitiert der Ort vor allem vom Wassertourismus, was man, wenn man wie wir von See aus Enkhuizen ansteuert, auch sofort sieht.

Es gibt hier ein Buddelschiffmuseum, welches aber leider geschlossen hat, so dass wir uns nur mal an der Fensterscheibe die Nase platt drücken können.

Schön, dass die heutige Ablegezeit relativ spät ist. So bleibt noch ausgiebig Zeit für einen Stadtbummel. Geht man mit wachen Augen durch den Ort, kann man dabei das eine oder andere interessante maritim-historische Schmuckstück finden.

 

Das Ablegemanöver verläuft dann nicht so wie es sich unser Skipper vorgestellt hat. Gern wären wir unter Segeln losgefahren, aber das gelingt nicht. Ein vor uns liegendes Schiff wirft dann helfend seinen Heckmotor an, und dadurch wird genug Wasser zwischen den Anlegekai und die Hendrika  gedrückt, so dass wir endlich frei kommen, den Wind in den Segeln fangen und allmählich Fahrt aufnehmen können.

Heute erleben wir die mutigste Tat dieses Törns. Eine Segelfreundin hat ihre Drohne mit, und sie lässt diese, ausgestattet mit einer Kamera, auf See starten. Ich bin mir sicher, dass nicht nur ich innerlich tausend Tode sterbe vor Sorge, dass dieses tolle Flugobjekt ins Meer stürzen und versinken würde. Aber alles geht gut; nach 20 Minuten landet die Drohne wieder wohlbehalten an Deck. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich mich für diesen Reisebericht aus der Bilderausbeute bedienen darf. Es sind tolle Fotos, und ich schwärme noch immer von dem Video, aus dem diese Bilder stammen.

 

Was gibt es noch vom heutigen Törn zu berichten? Nun, ich vollende meine Reparaturarbeiten am Klüvernetz. Wir segeln anfangs richtig viel und gut, aber dann schläft leider wieder der Wind ein, so dass wir unter Motor unseren nächsten Hafen, den Ort Urk, anlaufen.

Das alte Fischerdorf Urk war früher eine Insel. (Daher sind wir heute auch auf Urk.) Es hat einen Hafen, eine Werft und ca. 20.000 Einwohner. Urkundlich bereits 966 erwähnt, dauerte es bis zum Jahr 1942, ehe Urk durch Deichbaumaßnahmen keine Insel mehr war.

 

Das Interesse der Bevölkerung an unserem Anlegemanöver ist bemerkenswert. Man möchte meinen, für einen Ort, der einen relativ großen Hafen hat, in dem täglich größere und kleinere Schiffe anlegen, sollte die Ankunft eines Schiffes eine gewisse Normalität haben - hier aber hat man das Gefühl, man sei Kolumbus, hätte grad eben die Neue Welt entdeckt und Entdecker und Eingeborene stehen sich erstmals gegenüber. Mitsegelnde, die schon früher hier angelegt haben, berichten, dass das für Urk geradezu typisch sei.

Mein Interesse richtet sich sofort auf ein aufgelegtes Schiff in einer Werft ganz in der Nähe. Es ist die Brigg Aphrodite. Ich mag dieses schmucke Schiff total, habe sie 2016 in Lelystad zum ersten Mal gesehen und war sofort begeistert. Offenbar wird sie derzeit in der Werft überholt. Später erfahre ich, dass sie vor kurzem den Eigentümer gewechselt hat, was vermutlich die Ursache für den Werftbesuch ist. Sie wurde erst 1993 gebaut. Ich hoffe, dass die Aphrodite bald wieder auf See ist.

Und ich beschließe, die Zeit bis zum Abendessen zu nutzen und mal zu schauen, ob ich nicht etwas näher an diesen Zweimaster komme. Ich finde das Tor zu der Werft offen, lese ein in holländisch abgefasstes Schild nur teilweise, meine, den Satz "Betreten auf eigene Gefahr" richtig übersetzt zu haben. Nun, das genügt mir, mutig betrete ich das Gelände, auf dem sich keine Menschenseele mehr aufhält. Mein einziger Ärger ist, dass ich dummerweise meine große Kamera an Bord gelassen habe, so dass das Smartphone reichen muss. Egal, ich mache viele Bilder und ergötze mich an den wundervollen Linien der Brigg.

 

Tja, und da ist er schon wieder: Der letzte Abend an Bord auf diesem Törn. Morgen geht es zurück nach Kampen. Aber niemand bläst Trübsal, wir haben wieder jede Menge Spaß, und die Lieblingsshanties werden ein letztes Mal kraftvoll, lauthals und oftmals auch in der richtigen Tonlage in den lauen Vorsommerabend geschmettert.

 

Tag 9

 

Das letzte Frühstück dieses Törns wird mit dem traditionellen Abschlussgedicht eröffnet. Auch wenn dieses aus meiner Feder stammt, bleibt es allein den Mitsegelnden vorbehalten und wird daher hier nicht abgedruckt. Daher berichte ich jetzt nur über den Verlauf des letzten Tages. Nach dem Ablegen gehen sofort die Segel hoch, und trotz des üblichen Stresses mit Sachen packen und Reinschiffmachen bleibt noch Zeit, gut 3 Stunden Segeln zu genießen und auch meinem Lieblingsplatz, dem Klüvernetz, einen letzten Besuch abzustatten. Und es gibt nochmal einiges zum Schauen! Wir treffen unsere gute alte Bekannte, die Abel Tasman. Und dann segelt uns noch der Toppsegelschoner Brandaris über den Weg, einige Jahre älter als unsere Hendrika Bartelds, aber bereits bei seiner Kiellegung 1905 als Segelschiff gebaut. Schließlich kreuzt eine schmucke kleine Schonerbrigg unseren Kurs, deren Namen ich leider nicht erkennen kann. Aber es ist einfach nur ein toller Anblick diese Schiffe unter Segeln so nah sehen zu dürfen.

Dann erreichen wir die Brücke zum Kettmeer.

Nun ist endgültig Schluss mit Segeln für diesen Törn, ein letztes Mal helfe ich beim Einbinden der Vorsegel.

So tuckern wir dann unter Motor unserem Start- und Zielhafen Kampen entgegen, während an Bord die hektische Betriebsamkeit eines jeden Abreisetages herrscht.

Der Abschied von Bord wird lediglich durch das Versprechen, im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei zu sein, versüßt. Einige steigen dann in ihre am Hafen geparkten Autos. Ich gehöre zu der relativ großen Gruppe der Bahnreisenden. Das gibt mir die Chance, auf dem Fußweg zum Bahnhof sowohl die Kogge als auch die deutlich größeren Segelschiffe auf dem Weg dahin im Vorbeigehen nochmal schnell zu fotografieren.

 

Mein kleines Fazit:

Das diesjährige Frühjahrssegeln war wettertechnisch das bisher beste, das ich erlebt habe. Die holländischen Hafenorte waren allesamt ein Erlebnis, zum Großteil auch bemerkenswert schön und historisch interessant. Für meine maritim-historische Ader wurde jede Menge geboten, mehr als auf der Ostsee. Was das Segeln selbst anbelangt, fand ich IJsselmeer und Wattenmeer lange nicht so schön wie die Ostsee. Viel zu wenig Wind und Wellen, lange Flauten und dadurch zuviel Motorfahrten.

Aber eins steht fest: Egal, auf welchen Gewässern im nächsten Jahr dieser ganz spezielle Törn auf der Hendrika Bartelds stattfindet - ich bin wieder dabei!