Baubericht Papegojan, Kapitel 23: Segel setzen oder nicht?


 

Ich habe nun beschlossen, das Schiff ohne Segel zu bauen. Der Hauptgrund ist, dass das Modell ja nach Fertigstellung am Ausrüstungskai der Werft liegt, fest vertäut und bei Windstille. Ein weiterer Grund ist der ziemlich dürftige Takelplan. Grad bei den Tauen, die direkt von den Segeln abgehen, ist oftmals nicht klar ersichtlich, woher und wohin. Und die Bilder auf der Shipyard-Seite (vom 1:72-Modell, wohlgemerkt) geben auch kaum Auskunft - alles, was im Bauplan nicht klar ist, wird auch auf diesen Bildern nicht gezeigt. Dazu kommt noch der Maßstab - ich bekomme jetzt schon zunehmend Probleme, unfallfrei an Deck zu arbeiten - irgendwann passiert da etwas Schlimmes, ich ahne es. Bei einem größeren Maßstab wäre die Entscheidung wahrscheinlich eine andere gewesen - was bedeutet, dass die Mercury auf jeden Fall mit wie auch immer dargestellten Segeln gebaut wird!

Also weiter ohne Segel - mal schauen, wie es am Ende aussieht. Zur Not wird alles runter gefetzt und neu gemacht, so!
Heute habe ich mich mit dem Anbringen der Großrah beschäftigt - und teilweise auch gequält. Und weil es so schön war, hab ich mit der Fockrah weitergemacht. Während die Großrah mit Toppnanten und Fall und Rack ausgestattet ist, hängt die Fockrah an den Toppnanten, das Fall ist eingezogen, aber noch nicht festgemacht, Rack fehlt auch noch. Und die Brassen kommen eh später ran, die nehmen nur Platz weg beim weiteren Takeln.
Nicht alles gelingt mir dabei hundertprozentig gut, aber das ist nicht schlimm - ich lerne täglich dazu, und das nutzt mir dann für die Mercury. Und bei so manchen Schwierigkeiten stoße ich eben an die Grenzen, die der Maßstab setzt. Auch da freue ich mich auf die Mercury - 1:72 ist eben doch "handlicher" als 1:96.
Hier mal ein Blick auf den aktuellen Baustand - ach ja, das Vorstengestag hab ich ja auch noch angebracht.

 

Heute bin ich mit dem Ziel an die Arbeit gegangen, mich intensiv der Besanrah und ihrer Befestigung zu widmen. Ganz ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass das so kompliziert werden würde! Aber ich hab mich ja vorher auch noch nie ernsthaft mit der Frage beschäftigt, wie eine Lateinerrah konkret getakelt wird.
Diese Rah hat gleich sieben (!) Befestigungspunkte:
1. Punkt: Da hätten wir zum einen das gute alte Rack. Kennt man ja.
2. Punkt: Dann das Fall, auch klar, um die Rah auf- und abzufieren. Das wurde in der damaligen Zeit gern mal durch ein Scheibgat am Masttop geschoren. Ich hab einfach ein Loch in den Mast gebohrt. Also vorhin erst, am lebenden Objekt gewissermaßen, da mir das vorher nicht aufgefallen war, dass da auf dem Bauplan ein Punkt ist... Ist aber gut gegangen. Ein Ende an der Rah, das andere ist an einem Violinblock befestigt, der mittels Kardeel mit einem an Deck befestigten Block verbunden ist.
3. Punkt: Dann kommt der Kamerad Dirk ins Spiel. Mein Dirk ist aber kein Er, sondern ein Es, klebt am oberen Teil der Rah und wird nach Zusammenführen von 8 Hahnepoten, wie diese Taue heißen, zur Saling der Besanstenge des Großmastes geführt, dort durch einen Block geschoren und an Deck dann belegt.
Die Vorbereitung zeigt das 1. Bild.
4. und 5. Punkt: Halstaljen, lustigerweise auch auch Pispotten genannt. Am unteren Ende der Rah werden zwei Blöcke angebracht. Auf jeder Schiffsseite wird am letzten Großwant ein Tau befestigt. Dieses wird durch den Block an der Rah geführt und dann durch einen ebenfalls am letzten Großwant befestigten Block geführt und schließlich an einer Nagelbank an der inneren Bordwand belegt.
6. und 7. Punkt: (Und da musste ich erstmal blättern, wie man die Teile richtig nennt - im Marquardt wurde ich fündig): Die Rutenger. Also Ruten-Ger. Für diese wurden zwei Taue mit je einem Block am Ende an das obere Ende der Rah angebracht. An in das hintere Ende des Schanzkleides angebrachten Haken wurde auf jeder Schiffsseite ein eingebundener Block eingehängt, dieser mit dem oberen Block verbunden und schließlich an Kreuzhölzern an der inneren Bordwand belegt.

 

Klingt kompliziert. Ist es auch. Also wurde zuerst einmal die Rah vorbereitet.
Was dann folgte, war der Versuch, das alles nun irgendwie vernünftig an den Besanmast zu bringen. Ich hätte phasenweise sieben Hände brauchen können - an jeder Schiffsseite wohl gemerkt, da blieb kein Finger mehr frei, um einen Auslöser an der Kamera zu betätigen.
Schließlich hing die Rah da, wo sie hängen sollte - allerdings waren die Taue noch nicht dichtgeholt, und jede Menge noch zu kappender Enden hing herum.
Dann gab es die große Hier-mal-ziehen-und-da-mal-ziehen-Orgie - so lange, bis es passte. und dann das alles nochmal, aber mit dem in Turbokleber getauchtem Zahnstocher in der Hand.
Was ich noch nicht befestigt habe, sind die Enden dieser Pispotten - da ist einfach alles im Weg, was nur im Weg sein kann - Wanten, Pardunen, Kardeele, Decksaufbauten... Aber da finde ich auch noch eine Lösung, ich bin optimistisch.
So, und zum Abschluss noch ein stimmungsvolles Bild meiner Papegojan in der Werft.