Januar 2021 - Der Großmast hat alle Segel. Ein stolzer Anblick, wie ich finde.
Im Folgenden beschreibe ich in gewohnter Form meine Vorgehensweise und hoffe, dass andere Menschen, die sich auch an dieses tolle Modell wagen und dabei auch wenigstens bis hierher kommen, von meinen Fehlern und Erfahrungen profitieren können.
Es ist erfreulich, dass ich über diese Homepage mittlerweile Kontakt mit ein paar Mercury-Bauern habe und mit ihnen auch in regem Austausch stehe.
November 2020
Für das Auftakeln des Großmastes überlege ich mir, die Reihenfolge zu ändern, also die Segel von oben nach unten zu setzen. Warum, fragt man sich jetzt. Alle Taue, die vom Vormarssegel nach unten laufen, müssen dabei auch am Focksegel vorbei, alle Taue vom Vorbramsegel an den beiden Segeln darunter. Ich denke mir, dass es daher besser ist, von oben nach unten die Segel anzubringen, da dann der Weg nach unten relativ frei ist. Nun, ich kann jetzt schon mal verraten, dass ich so nicht noch einmal arbeiten würde. Mehr dazu am Ende dieses Kapitels.
Ich beginne also mit dem Bramsegel. Die Arbeitsschritte hierbei sind mit denen beim Fockmast identisch. Rundholz auf die richtige Länge bringen, an den Enden konisch schleifen und aus dem Holzstab somit eine Rah machen. Alle nötigen Blöcke anbringen - auch hier ist meine Orientierung einzig und allein das Schrage-Buch.
Auch die Behandlung des Segels geschieht wie immer. Zuerst werden die Nähte auch auf die Rückseite übertragen und auf der Vorderseite nachgezogen. Ich habe dafür im Schreibwarenfachhandel auf einem nicht benötigten Stück Segeltuch mit verschiedenen Bleistiften probiert und mich schließlich für ein Exemplar der Firma Faber-Castell, Stärke H, entschieden.
Aus 0,25mm starkem Amati-Takelgarn hell schlage ich mir wieder die Liektaue, die ich dann mit Ponal Express an den Segelrändern festklebe. Dabei arbeite ich die Schothörner und Nocklegel heraus und binde sie ein. Anschließend stelle ich die verschiedenen Legel her, die ich mit der bereits in Kapitel 36 beschriebenen Methode anbringe. Dann wird das Segel an die Rah geknüpft - auch das so wie im Kapitel 36 gezeigt. Zum Schluss bringe ich die Geitaue an und probiere aus, ob sie auch gut durch die Blöcke kommen. Nun kommt die Rah auch schon an den Mast. Das Drehreep ist hier sehr einfach; das Tau wird mit Stek und Bindselung direkt an der Rah befestigt und läuft dann durch ein Scheibgatt in der Bramstenge - hier am Modell also eine Bohrung, die ich schon beim Setzen dieser Stenge realisiert habe. Das dazugehörige Fall ist eine einfache Anholtalje, die auf der Marsplattform befestigt wird. Und so ist dieses Segel relativ schnell angebracht.
Ich bringe dann die Brasstaue an, ebenso die Bauchgordings. Und dann merke ich zum ersten Mal, dass auch die Methode "von oben nach unten" so ihre Tücken hat. Bei meinem Schiffstyp benutzte man die Marsrah-Topnanten gleichzeitig als Bramschoten. Also kann ich die Topnanten noch nicht anbringen, da die Marsrah noch fehlt. Ohne diese Fixierung der Schoten ist es aber auch überhaupt nicht schlau, das Segel jetzt schon mit meiner Fönmethode zu blähen. Also bleiben Bauchgordinge und Geitaue noch lose, und auch die Brassen belege ich nur provisorisch. Und diese Probleme nehme ich dann mit zur nächsten Etage nach unten...
Die Vorbereitung von Rah und Segel ist wie gewohnt; das Marssegel erfordert allerdings erheblich mehr Fleißarbeit, denn zum einen ist es ein ordentlich großer Lappen mit deutlich mehr Legeln, zum anderen sind hier drei Reihen Reffbändsel erforderlich. Und hier passiert mir dann auch ein dummer Fehler: Bei diesem Segel müssen die Liektaue an den Ecken der Schothörner sowie in der Mitte des Fußlieks verstärkt werden, was ich am Fockmast durch gekleedete Teilabschnitte bei den Liektauen realisiert habe. Hier vergesse ich es dummerweise, merke es erst, als schon alle Legel gesetzt sind - also kommt ein Abriss nicht mehr in Frage. Also kleede ich mir ein Tau, länge mir passende Stücke davon ab, messe genau und löse dann vorsichtig am Segel die entsprechenden Abschnitte, schneide sie heraus und ersetze sie durch die gekleedeten Stücke.
Ansonsten verläuft das Anbringen der Marsrah relativ unspektakulär. Aber das Bramsegel stört doch immer wieder; ich binde es irgendwie hoch und habe den nächsten Beweis, dass es wohl doch besser ist, von unten nach oben zu takeln.
Auf dem ersten Bild sieht man übrigens über der Marsrah die bereits in Form geschliffene und gepönte Großrah liegen. Das ist schon ein ordentliches Stück Holz, welches da auf seinen Einsatz wartet.
Januar 2021
Und schon steht die Großrah und das Großsegel auf dem Arbeitsplan. Bei der Vorbereitung der Rah mache ich das, was in der Schule immer verboten war: Abgucken. Wobei - ich gucke ja bei mir selber ab, also dürfte es nicht so schlimm sein. Die Bestückung dieser Rah ist aber auch identisch mit der Fockrah, und so ist bei dieser Arbeit ständig am PC das entsprechende Kapitel dieses Bauberichtes geöffnet.
Aber damit in diesem Kapitel nicht immer nur zu lesen ist "siehe Kapitel XX...", möchte ich jetzt gern die vorbereitete Großrah näher erläutern.
So, dann darf ich mal vorstellen: Der dicke Block in der Mitte, der da so stolz nach oben ragt, ist der untere Block des Rahtakels. Er wird später mit den beiden Rahtakelblöcken, die unterhalb der Mars schon darauf warten, mit dem Tau, welches den Namen Drehreep trägt, verbunden. Mit dem Gebilde wird dann die Rah abgefiert und aufgeholt.
Die beiden immer noch recht großen Blöcke links und rechts von ihm, die nach unten hängen, sind die Quarterblöcke. Sie dienen der Führung der Schoten des Marssegels. Die Winzlinge jeweils darunter sind die Blöcke für die Schlappgordings. Hab ich schon mal weiter vorn erklärt - mit denen wird die Mitte des Unterlieks des Großsegels aufgegeit, damit der Kapitän auf dem Achterdeck freie Sicht nach vorn hat, wenn die Situation es erfordert.
Die drei Blöcke auf jeder Seite oben auf der Rah sind für die Gordings; der jeweils äußere ist der Führungsblock des Nockgordings, die anderen beiden sind für die Bauchgordinge. Dann ist da noch links und rechts direkt neben der Rahschalung ein Block nach unten hängend, der ist für die Geitaue, sie laufen dann später durch die Geitaublöcke an den Schothörnern, zurück zum Geitaublock an der Rah und dann runter an Deck, wo sie irgendwo festgemacht werden - soweit sind wir aber jetzt noch nicht... Und nicht zu vergessen die Fußpferde, die durch die senkrechten Springpferde geführt werden.
Auf den nächsten Bildern sind dann die Gebilde, die bei den ersten Fotos noch vor dem Rahgestell liegen, auch angebracht: Eine Blockkombination aus einem Schulterblock und einem einscheibigen Block. Hier laufen dann später die Marsschoten (Schulterblock) und die Toppnanten durch, natürlich auf beiden Seiten der Rah. Außerdem sind nun auch die Racktaue angebracht, das sind die schwarzen Taue links und rechts von der Mitte. Und so kann es also losgehen mit dem Anbringen des vorbereiteten Segels. Bei dem hat Shipyard leider etwas gepatzt: Das Großsegel hat auf jeden Fall zwei Reihen Reffbändsel - auf dem Segel im Bausatz ist aber nur eine Reihe vorgesehen und die Segelbahnen sind auch dementsprechend gezeichnet. Aber durch das Nachzeichnen der Linien mit dem Bleistift konnte ich diesen Fehler gut kaschieren - wer es nicht weiß, muss schon sehr dicht mit der Nase an mein Modell gehen, um das zu erkennen. Und so dicht lasse ich dann einfach niemanden an das Modell heran. (Außerdem steht es später in einer Vitrine...)
Im letzten Foto dieses Abschnittes ein interessantes Detail: Ein Schothorn, vollständig bestückt. Der Block, der da so stolz nach schräg oben ragt, ist der Halsblock. Er ist mit einem gekleedeten Tauende eingebunden, an dessen Ende ein dicker Knoten sitzt, der grad so durch das Schothorn passt. Dann kommt als nächstes der Schotblock und der ist so am Schothorn befestigt, dass der Halsblockknoten keine Chance mehr hat, dieser Schlaufe zu entfliehen. Der letzte Fluchtversuch würde dann auch noch durch den Geitaublock verhindert werden, der ebenfalls vorschriftsmäßig am Schothorn befestigt ist.
Man kann sich die Bestückung der Schothörner auf jeden Fall auch einfacher machen, und es würde, wenn man da gut mogelt, auch kaum jemanden auffallen. Aber hallo - es ist das Großsegel, da muss man einfach gewissenhaft arbeiten.
Beim Großsegel ist mehr Fleißarbeit gefragt als bei allen anderen Segeln, um es an die Rah zu knüpfen. Aber irgendwann ist auch diese meditative Arbeit geschafft, und die Rah kann samt Segeln endlich an ihren Bestimmungsort. Sie wird am Drehreep hochgezogen, alles ist vorbereitet.
Doch dann der kritische Kontrollblick - verflixt, da habe ich wohl eine Fockmarsbrasse eingeklemmt. Also noch einmal eingefädelt, und nun passt es. Als die Rah dann hängt, lasse ich die Enden vom Drehreep aber noch frei, denn so kann ich die Rah zum Anbringen weiterer Taue je nach Belieben abfieren oder hochziehen.
Interessant ist an diesem Segel die Führung der Bauchgordinge. Das Großsegel hat je Schiffsseite zwei Bauchgordingtaue - könnte man meinen, wenn man sich das Segel von vorn anschaut. Es ist aber nur ein Tau je Seite. Das wird an einem der beiden Legel am Fußliek befestigt, läuft dann zur Rah, wo auf selbigem ein einscheibiger Leitblock das Tau weiter zu einem Zweierblock führt, der unter der Marsplattform hängt und von diesem Tau von hinten durchlaufen werden muss. Dann wandert das Tau weiter durch einen Einfachblock, der mit einem weiteren Einfachblock verbunden ist, geht dann wieder durch den Doppelblock unter der Mars - von vorn nach hinten diesmal, sucht sich dann den zweiten Führungsblock auf der Rah und wird dann vorn am Segel hinunter zum Fußliek geführt, wo er dann am zweiten Legel befestigt wird. Und das alles auf der anderen Schiffsseite noch mal.
So, das hat jetzt vermutlich niemand verstanden - daher hier die (leider nicht ganz optimalen) zwei Bilder, die das zeigen sollen. Auf dem ersten sieht man den Doppelblock unter der Mars; im zweiten Block erkennt man diese beiden zusammengebundenen Blöcke. Da wird dann durch den zweiten Block ein Taue gefädelt, dessen Enden dann später an einer Beting auf der Back befestigt werden.
Danach werden dann nach und nach alle weiteren Taue angebracht - und das sind nicht wenige. Dabei bin ich dermaßen tief in die Arbeit versunken, dass ich gar nicht mehr daran denke, auch mal Fotos zu machen. Erst als die meisten Taue angebracht sind, greife ich mal wieder zu Kamera. Man sieht, was da für ein vermeintliches Chaos herrscht. Tatsächlich muss ich auch bei den meisten Enden erst vorsichtig daran ziehen, um zu erkennen, welches Tau ich da jetzt erwischt habe.
Aber allmählich kehrt dann Ordnung ein. Jetzt, wo alle Rahen angebracht sind, kann ich auch die Schoten des Bramsegels und des Marssegels ordentlich setzen, und dann ist der Moment da, an dem ich wieder den Fön zum Einsatz bringe. Ich beginne beim Bramsegel, nässe es vorsichtig, damit nichts auf Deck tropft, mit verdünntem Weißleim und und bringe das Tuch anschließend mit heißem Wind in Form. Ebenso verfahre ich mit dem Marssegel. Das erste Bild zeigt den Unterschied: Mars und Bram schön gebläht, das Großsegel hängt noch schlapp herab. Aber dann kommt auch für dieses Wind auf, und am Ende sind alle drei Segel wohlgeformt. Anschließend befestige ich alle noch losen Taue. Der Großmast bietet jetzt einen gefälligen Anblick - es fehlen aber noch die Buline.
Einen Tag später geht es in den Endspurt. Im Schrage lese ich, dass die Buline des Großsegels durch einen Doppelblock laufen, der mit einem Augstropp ziemlich weit unten am Fockmast angebracht wird. Bevor ich damit beginne, diesen Blockstropp zu bauen, schaue ich mir die entsprechende Stelle am Fockmast an. Hoppla, da ist ja schon so ein Block! Und jetzt fällt es mir auch wieder ein, dass ich den bereits beim Setzen des Fockmastes angebracht habe. Danke, Herr Schrage, kann ich da nur sagen.
Für die Buline des Marssegels bringe ich zwei Einfachblöcke an der achternen Kante der Vormarsplattform an. Die Buline des Bramsegels sollen normalerweise durch Scheibgats in den Längssalingen der Vorbramsaling geführt werden. Ok, da muss ich etwas schummeln. Diese Scheibgats wären hier Löcher in den millimeterdünnen Finnpappegebilden, bei denen ich sowieso schon froh bin, dass sie mir bisher nicht abgebrochen sind, wenn ich da noch den einen oder anderen Block anbinden musste. Bei Marquardt lese ich, dass es durchaus auch andere Methoden der Führung der Buline gab. Ich entscheide mich für eine etwas abgewandelte Variante; ich führe die Taue beidseitig jeweils über den zweiten Holm der Quersaling, dann durch das Stagauge (um zu verhindern, dass die Zugkräfte mir genau diese dünnen, fragilen Querholme zerbricht) und von dort hinunter in die Marswanten, wo ich sie dann fixiere.
Durch das Straffen der Buline, also der Taue, die die Seitenlieks der Segel nach vorn stabilisieren bzw. in Form halten, verändern sich einige Zugkräfte, was dazu führt, dass ich ein paar andere Taue nachspannen muss, speziell die Geitaue des Großsegels. Aber schließlich bin ich selbst ein wenig überrascht, als kein lose herumhängendes Tauende mehr zu sehen ist. Was nun noch fehlt ist das, was noch überall fehlt und was ich dann ganz zum Schluss bei den sog. "Restarbeiten" erledige: Die sog. "Puppen", also kleine Fadengebilde, die aufgeschossene Taue an den Nagelbänken, Betings und sonstigen Belegpunkten darstellen.
Und bevor ich jetzt die Bilder der Mercury mit einem vollständig getakelten und mit allen Segeln bestückten Großmast zeige, hier noch ein Ratschlag, der an sich logisch ist, den ich aber dennoch für sehr wichtig erachte. Daher auch in einer anderen Farbe:
Tipp an alle, die dieses oder ein ähnliches Schiff bauen: Schaut rechtzeitig nach, was ihr für die Takelage alles an Augbolzen, Klampen und sonstigen Befestigungspunkten für Tauwerk auf dem Deck braucht. Die lassen sich auf einem total leeren Deck viel leichter anbringen, glaubt mir!
Warum schreibe ich das so "laut"? Das erste Bild dieses Abschnitts zeigt, was da auf der Mercury rund um den Großmast los ist. Hätte ich die Augbolzen, in die ich die Taljen für Drehreep, Rack und einige Stage schon angebracht, als der Mast noch nicht gesetzt und keine Mastbeting und keine Pumpen an Bord gewesen wären, hätte mir das sehr viel Fingerverrenken, Schweiß und Zitterpartien erspart.
Ich werde diesen Hinweis aber nochmal in das entsprechende Kapitel viel weiter vorn setzen - denn falls sich jemand beim Bau seiner Mercury unterstützend Kapitel für Kapitel durch diesen Baubericht arbeitet, kommt der Ratschlag auch zu spät...
Zum Abschluss dieses Kapitels noch ein kleines Fazit: Ich würde nicht noch einmal beim Segelsetzen von oben nach unten arbeiten. Ich finde, die Nachteile überwiegen. Das Platzproblem bekommt man so oder so irgendwann - so ist eben die Takelage auf einem solchen Segelschiff. Baut man von unten nach oben, hat man den Vorteil, dass man bei jedem Segel nahezu alle Taue sofort ordentlich belegen kann; es hängen dann später keine losen Enden umher und im Weg.
Aber letztendlich ist alles gut gegangen, es gab keine unfreiwilligen Abrisse oder sonstigen Schäden, und allein das zählt.
Und jetzt freue ich mich schon auf den Besan - hier ist die Besegelung ja etwas anders, und ich betrete damit für mich persönlich mal wieder modellbauerisches Neuland.