Baubericht HMS Mercury, Kapitel 35 - Nochmal die Scheibenklampen; Vorsegel setzen

 

Mai 2020

 

Scheibenklampen die Letzte (?)

 

Im Kapitel 31 habe ich berichtet, dass ich die nun bereits dreimal gefertigten Scheibenklampen wieder abgebaut habe, da ansonsten an beiden Stengetopps kein Platz mehr gewesen wäre für diverse Taue. Und ich habe geschrieben: "Nun, wenn ich ehrlich bin, gefielen mir die Klampen auch in der neuen Fassung bei jedem Mal Hingucken ein bisschen weniger, insofern hält sich meine Trauer in Grenzen. Da muss ich mir dann noch etwas einfallen lassen." Das ist nun endlich passiert:

 

Diese Scheibenklampen werden vor allem für die Führung diverser Taue der Stagsegel benötigt. An vielen Modellen sieht man anstelle dieser Klampen kurz eingebundene Blöcke, die dann da an den jeweiligen Stengen festgemacht sind. Kann man machen, ist aber m.E. nicht korrekt.

Also, was wird gebraucht? Ein Teil links und rechts des Stengetops an Fock und Groß, durch das jeweils zwei Taue geführt werden können.

Manchmal liegt das Gute so nah: Ein einscheibiger Block erfüllt hier am Modell genau diese Funktion. Also schleife ich zwei 5mm-Blöcke flach und etwas eckiger, befestige sie am Stengetop mit Ponal Turbo und pöne sie anschließend schwarz. Das Bild vom Großmast zeigt, dass die Teile sich schon bewähren. 

 

Vorsegel setzen 

 

Ich beabsichtige, zwei Vorsegel anzubringen, beide sollen gesetzt werden. Ich bereite also das vorstenge-Stagsegel und den Klüver entsprechend vor. Das läuft bei beiden genau so ab wie bei den anderen Stagsegeln: Liektaue mit eingebundenen Hörnern anbringen, die Ecken nochmal extra nähen, Stagreiter fertigen und anbringen, Fall, Niederholer und Schoten befestigen. Die Segel sollen in geblähtem Zustand dargestellt werden. Daher tränke ich sie mit verdünntem Weißleim und trockne sie in meinem schon gezeigten Hilfsgestell, in dem ich mit der einen Hand die Schoten festhalte und mit der anderen einen Fön für ordentlich Wind sorgen lasse. 

Ich beginne dann mit dem Vorstenge-Stagsegel. Nach dem Pönen der Stagreiter wird es auf das Stag gefädelt. Das Stagtau befestige ich zuvor mit einem laufenden Auge am Bugspriet. Nun wird das freie Ende des Stags durch die obere Öffnung der backbordseitigen Scheibenklampe hinunter in den Mars des Fockmastes geführt. Dort erhält es den Doppelblock einer Arbeitstalje; der Einfachblock dieser Talje wird in einen Stropp (bei mir ein Augbolzen) auf der Marsplattform eingehakt. Das holende Ende der Talje wird dann durch das Soldatenloch nach unten geführt und dort an der Beting am Fockmast verzurrt.

Drei Ecken hat das Tuch, und an jeder muss mindestens ein Tau befestigt werden. Am Fallhorn gleich zwei, zum einen das namensgebende Fall, zum anderen der Niederholer. Das Fall geht eine Öffnung tiefer ebenfalls durch die Scheibenklampe und wird dann direkt hinunter zur Back geführt, wo es durch einen Fußblock geführt und einem Timberhead befestigt wird. Der Niederholer wird durch einige der Stagreiter geführt, läuft dann durch einen kleinen Leitblock am Halshorn und findet seinen Fixpunkt ebenfalls an einem Timberhead an der Backreling.

Die untere vordere Ecke, das Halshorn, bekommt auch ein Tau befestigt, welches dann mit mehreren Schlägen um den Klüverbaum und durch das Halshorn und anschließend um diese Wicklungen herum befestigt wird.

Bleiben noch die Schoten. Das sind bei dieser Schiffsgröße einfache Taue, die jeweils in der Back mittels Fußblöcken und Timberheads belegt werden, wobei immer die leeseitige Schot fest und die luvseitige locker ist. Logisch. Wichtig ist, dass man darauf achtet, dass die lose Schot immer über dem Fockstag geführt werden muss, da ansonsten eine Wende... nun, recht schwierig wird.

Und hier wird ein Problem deutlich: Das Segel hat zwar eine schöne, nicht übertriebene Wölbung, aber aufgrund der Tatsache, dass es eben so angebracht ist, wie es richtig ist, sieht es eben nicht so aus wie auf dem letzten Bild. Weil: Auf dem Bild ist Wind, weil: Ich puste beim Fotografieren kräftig von Backbord, so dass sich das Segel schön ausstellt. Ohne Wind wirkt einfach nur die Schwerkraft, und es behält zwar seine Weißleimwölbung, vermittelt aber nicht den Eindruck, den ich mir wünschen würde.

Aber ich denke schon über eine Lösung nach. Ich werde mir sehr dünnen Federstahl bestellen, vielleicht lässt sich damit das Schottau imitieren, ohne dass es auffällt - das sollte dann reichen, das Segel ein Stück nach außen zu drücken. 

Die folgenden Bilder zeigen das, was ich weiter oben beschrieben habe. So bringe ich den Klüver "in Form".

Jetzt ist also der Klüver an der Reihe. Dieses Segel hat eine Besonderheit, und zwar den Ausholring. In Kapitel 33 habe ich gezeigt, wie ich diesen auf dem Klüverbaum angebracht habe. Der Ausholring wird gebraucht, um das Klüverstag auf dem Baum beweglich zu halten. Beim Anbringen vor ein paar ein Monaten habe ich ein wenig zu viel des Guten getan - warum, berichte ich jetzt.

Das Klüverstag wird am Ausholring befestigt. Dann wird es - nach dem es durch die Stagreiter des Segels geschoben wurde - durch die steuerbordseitige Scheibenklampe am Stengetopp und weiter zur Marsplattform geführt, wo es genauso wie das Stag des Vorstenge-Stagsegels festgesetzt wird. 

Das Fall wird ebenfalls durch die Scheibenklampe gefädelt und mittels Fußblock und Timberhead auf der Back belegt. Den Hals befestige ich, indem ich ein Tau mehrmals durch das Halshorn und den am Ausholring befestigten Haken schlage und dann mit ein paar Rundtörns um sich selbst belege. Die Schoten führen direkt zur Back, wie beim vorigen Stagsegel auch. Der Niederholer hat hier seinen Leitblock nicht am Halshorn; er findet seinen Leitblock an der Backbordseite des Ausholrings und läuft von dort zur Backreling, wo er an einem Timberhead lose belegt wird.

So weit, so gut - wie wird jetzt das Stag selber bewegt? Dazu dienen zwei Taue - der Ausholer und der Einholer. Langweilige, aber eben auch sehr logische Bezeichnungen.

Der Ausholer wird mit einem Ende am Ausholring befestigt. Dann läuft das Tau durch ein Scheibgatt in der Spitze des Klüverbaums unter den Baum. An sein Ende wird der Block einer einfachen Talje angebracht, an dessen Ende auch das Taljereep befestigt wird. Am Eselshaupt des Bugspriets ist der Gegenblock befestigt; das holende Ende des Taljereeps läuft nun zur Back und wird dort an einem Timberhead befestigt. Wenn also jetzt an diesem Tau gezogen wird, gleitet der Ring zur Spitze des Klüverbaums.

Will man ihn wieder zurückhaben, bedarf es des Einholers. Dieses Tau wird an einem Augbolzen am Eselshaupt des Bugspriets befestigt, läuft dann durch den steuerbordseitigen Leitblock am Ausholring zur Backreling, wo er ebenfalls an einem Timberhead belegt wird. Zieht man nun an diesem Tau, wird der Ring wieder in Richtung Bug geholt.

Die ersten beiden Bilder zeigen die einzelnen Teile und Taue; so ist hoffentlich besser zu verstehen, was ich hier schreibe.

Und damit sind wir dann bei meinem voreiligen Tun im Oktober vorigen Jahres. Da hatte ich nämlich den Ausholer schon mal angebracht und festgesetzt. Der Ring sitzt seitdem etwa in der Mitte des Klüverbaums; ich will aber das Segel so gesetzt haben, dass das Stag weit vorn sitzt. So sitzt dann der Block für die Talje zu weit vorn, wie man im dritten Bild gut erkennen kann.

Also löse ich das Taljereep, schneide den Block am Ende des Einholers ab und setze ihn etwas weiter vorn wieder an. Gleichzeitig versehe ich ihn mit einem neuen Taljereep, schere dies durch den Block am Eselshaupt und belege das holende Ende auf der Backreling.

Im Vergleich zum Vorstenge-Stagsegel ist der Klüver schon ein ordentlich großer Lappen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, was so ein großes Stagsegel wegziehen kann. Im ersten Bild sieht man gut die Belegung der Timberheads - also diese kleinen Knubbel auf der Backreling - mit Auf-, Ein- und Niederholer des Klüvers sowie dem Niederholer des Vorstenge-Stagsegels. Das letzte Bild dieser Reihe zeigt nochmals das Dilemma des fehlenden Windes. Links herrscht Flaute, rechts sorgt das Sturmtief "Bonden" für schön geblähte Segel. 

Und plötzlich ist eine tolle Lösung da! Von einem Modellbaukollegen bekomme ich den Hinweis, dass Philip Reed in seinem Buch "Historischer Schiffsmodellbau - Schritt für Schritt gezeigt" empfiehlt, es in solchen Fällen mit einem aus dünner Kupferlitze geschlagenem "Tau" zu versuchen. 

Also spanne ich einen zum Glück vorhandenen sehr dünnen Kupferdraht in meine Reeperbahn und schlage mir ein Drahttau. Anschließend ziehe ich es ein paar mal über feines Sandpapier, um die Oberfläche etwas aufzurauhen; anschließend streiche ich es mit einer selbst gemischten Farbe, die dem Farbton der sonstigen an diesen Segeln verwendeten Taue entspricht. Durch kurze Halteproben erkenne ich schnell, dass ich die jeweils lose Schot durch den Draht ersetzen muss, dann klappt es auch. Die lose Schot liegt ja über dem nächst höheren Stag, damit man das Segel bei einer Wende auf die andere Seite ziehen kann. Also gibt es in echt dort einen Punkt, an dem das Tau von unten hoch kommt und dann gleich wieder auf der anderen Seite nach unten fällt, und zwar ganz locker. Das bringt mir den gewünschten Effekt. Die Drahtschot wird mit Ponal Turbo auf dem jeweiligen Stag fixiert und auf der Back locker belegt. Das kurze Ende zum Schothorn hängt durch, hat aber so viel Spannung, dass es das Segel soweit nach außen drückt, dass es, wie ich finde, ziemlich echt aussieht. Es soll ja in meiner angedachten Szene auch nicht allzu viel Wind wehen.

 

Damit habe ich einen weiteren Teilabschnitt an meiner Mercury zum Abschluss gebracht - alle sieben Stagsegel, die ich anbringen wollte, sind am Schiff so befestigt, wie ich es geplant habe. 

Als nächstes werde ich mich mit den neun "restlichen" Segeln beschäftigen. Und ich freue mich schon darauf.