Baubericht HMS Mercury, Kapitel 25: Es geht aufwärts! Der Fockmast wird getakelt


Der Hanger für die Seitentakel

 

17. Dezember 2016

Ich friemele in letzter Zeit ein wenig planlos rum auf meiner Werft. Hier ein bissel, da ein bissel, dann wieder Fragen, Bücher, noch mehr Fragen. Heute hab ich beschlossen, dass man es auch übertreiben kann damit - ich komme einfach nicht wirklich voran. Das soll nun anders werden!
Es gibt da noch die eine oder andere Sache am Rumpf zu tun, aber das kommt später, zum Großteil aus Sorge, dass ich beim Auftakeln da aus Versehen was abreiße. Die Hecklaternen zum Beispiel, oder die Finkennetze - das kann alles gegen Ende erfolgen, ebenso das Anbringen der Anker - die würden nur stören, wenn ich die Fockwanten einbinden will.
Somit laufen jetzt die Vorbereitungen für den Gang in die erste Etage. 
Zuerst wird der Fockmast gesetzt. Das erste Element des stehenden Gutes, welches um den Masttop gelegt wird, sind immer die Hanger. Das sind vollgekleedete Taue, in der Stärke wie die Unterwanten, die an beiden Seiten vom Masttop hängen. In die an den Enden eingespleißten Kauschen werden die Seitentakel eingehängt. Seitentakel erfüllten viele Funktionen, so wurden sie z.b. genommen, um die Anker in die Rüsten zu geben, um schwere Lasten zu bewegen oder bei schlechtem Wetter zur zusätzlichen Stützung der Untermasten. Wie diese Seitentakel hergestellt und dann angebracht werden, zeige ich später.
Heute war nun dieser Hanger für den Fockmast herzustellen. Mein neuer Freund Schrage schreibt in seinem Buch, dass Schiffe von der Größe meiner Mercury einarmige Hanger hatten. Diese wurden aus einem Ende hergestellt, und für das zum Masttop passende Auge in der Mitte der Hanger wurde ein kurzes, ebenfalls gekleedetes Taustück eingespleißt. Nun, zum spleißen im Maßstab 1:72 hatte ich keine Lust; aber wie nun so ein Teil herstellen, dass es möglichst so aussieht wie gefordert?
Also, so wie im ersten Bild soll es möglichst aussehen. Ok, das am Modell exakt so hinzubekommen erscheint unmöglich. Aber ich wollte eben nicht einfach nur ein Tau mit einem daran festgeknüpperten kurzen weiteren Tau haben. Also hab ich mir was überlegt:
Mit meiner Kleedemaschine kleedete ich zwei kurze Stücke auf zwei längeren Tauen. Dann spannte ich die gemeinsam ein und kleedete sozusagen den Rest.

Nun, kleine Knubbel an den beiden Augenwinkeln habe ich dennoch; ich glaube, das hätte ich auch einfacher haben können. Aber immerhin, mein erster Hanger ist fertig, und ich finde, er schaut nicht mal schlecht aus. Dann band ich an beiden Enden noch Kauschen ein - die hatte ich mir gefertigt, indem ich dünnes Messingrohr (Innendurchmesser 1,6 mm) in Scheiben schnitt und diese dann, aufgefädelt auf ein Stück Draht, ins Brünierbad hängte.

Was noch an der Saling fehlt, sind Kalben. Sowas sieht Shipyard ja leider nicht vor, aber die gehören einfach dazu: Kalben sind dünne Holzleisten mit einem Viertelkreis-Profil, die da hinkommen, wo jetzt der Hanger durch die Salingkante geknickt wird.

Dann habe ich noch einen weiteren Stagkragen gebaut und ordnungsgemäß mit einer Rosenlaschung angebracht, und zwar den für das Großborgstag. Den kann man nicht einfach so an den Fockmast knüppern, sondern man muss schauen, dass der in einer ganz bestimmten Höhe seinen Platz bekommt. Warum das so ist, zeige ich (viel) später.

Schonmal an dieser Stelle der hinweis, dass ich den Hanger kurz darauf neu gemacht habe - aber immer schön der Reihe nach... Jetzt ging es erst einmal an die

 

Vorbereitung der Wantenpaare

 

Zuerst wurden die letzten Wanten kleedetechnisch behandelt. Insbesondere die beiden vorderen Wantenpaare bedurften der besonderen Zuwendung: Immer die ersten, also bugwärts gerichteten Wanten werden bis unten gekleedet; alle anderen nur im oberen Bereich, bis etwa zur Wurst (da ist das Querteil, an welchem die Püttingswanten angesetzt werden - kommt alles später...). Das Kleeden ist insofern eine Herausforderung, als die zu kleedende Strecke bedeutend länger ist als die Kleedemaschine. Diese lässt mit viel gutem Willen ein Stück von knapp 20 cm in einem Schwung kleeden. Will man mehr - und bei den Wanten sind es ca. 28 cm - muss man den Vorgang stoppen, das straff gespannte Tau lösen, versetzen, wieder festmachen und dabei aber möglichst die Spannung des Kleedegarns auf das Tau halten, um ein "Durchdrehen" zu verhindern. Nun, ich kann berichten, dass für den Fockmast alle Wanten soweit fertig sind.
Aber dann geht es noch immer nicht los mit dem Auftakeln. Nun müssen erst die Wantenpaare eingebunden werden; d.h., dass da, wo man es um den Masttop legt, ein Auge sein muss, groß genug, um es über den Top und die dort schon angebrachten beiden Scheibgats zu stülpen, ohne diese abzureißen. Außerdem müssen die beiden Wanten auch nach dem Zusammenbinden noch brav nebeneinander und nicht irgendwie verdreht liegen. Wenn man es einigermaßen richtig macht, sieht das so aus wie im ersten Bild.

Am Mast macht sich das erste Wantenpaar schon mal gut. Man sieht auch die Kalben, die ich aus Balsaholz gefertigt, mit Sekundenleim ausgehärtet und dann schwarz gestrichen habe. Nun können die Wanten ohne Knick geführt werden - so soll es sein.
Und im letzten Bild schon mal ein Blick in die Zukunft. Man erkennt, dass auch dann, wenn die Marsplattform angebracht ist, die vielen Taue, die da um den Masttop kommen, alle genügend Platz haben werden. Als nächstes werde ich die restlichen 7 Wantenpaare zusammenbindseln, und dann wollen wir mal sehen, wie gut es mir gelingt, die Wanten steif zu setzen...

Ach ja, sicher fragt sich der eine oder die andere, warum die vorderen Wanten bis unten gekleedet werden. Dies diente als Schutz vor dem sog. Schamfielen, also dem ungewollten Reiben von Takelteilen aneinander. Speziell gegen die vorderen Wanten knallen öfters mal die Segel, wenn der Wind plötzlich dreht und das Tuch zu killen beginnt, auch einige Taue zur Bedienung der Segel scheuern da gern mal dran. Die Kleedung bietet einen gewissen Schutz und verhindert das vorschnelle Durchwetzen der Wanten.

 

Vom Wert einer Kleedemaschine

 

So rein aus Interesse, wie es denn später aussehen wird, habe ich mal alle Wantenpaare über den Masttop gelegt. Wenn es noch eines Argumentes bedurfte für die Anschaffung meiner Kleedemaschine - hier ist es.

Ich freue mich schon jetzt auf den Anblick, wenn alle Wanten an Ort und Stelle und ordentlich steifgesetzt sind.

Hanger zum Ersten, zum Zweiten und... zum Dritten!

 

18. Dezember 2016

Alles wartet darauf, dass die erste Want steif gesetzt wird - ich am allermeisten.  Aber ganz so schnelle geht's nun doch nicht. Gründlichkeit vor Schnelligkeit ist mein Motto beim Modellbau. Also guckte ich mir die Arbeit von gestern nochmal genau an und fand, dass das erste Teil, welches über den Masttop gelegt wurde, auch das hässlichste ist. Auf den Bildern kommt das gar nicht so deutlich rüber, aber ich hatte ja berichtet, wie ich mich angestellt habe, den Hanger herzustellen. Als ich die beiden Enden jetzt so neben den stolzen Wanten sah, fand ich das recht erbärmlich und nicht gut gelungen. Also alles wieder runter, denn der Hangar war ja erster... Macht nix, war ja noch nichts festgemacht.
Die beiden Hangar-Arme waren auch zu kurz, wie ich nach nochmaligem Schauen ins Buch und in andere Bauberichte von fregattenbauenden Holzwürmern feststellen musste. Mit meiner Herstellungsmethode war ich ja auch nicht wirklich zufrieden, also probierte ich mal was anderes aus:
Zuerst mal nahm ich ein geschlagenes Tau, welches ich bereits mittig gekleedet hatte, da ich es als Wantpaar nutzen wollte. Die Kleedung war mir da aber zu lang geraten - gut, das man so Fehlproduktionen nicht gleich wegschmeißt. Weil, das hatte genau die richtige Länge für meinen Hanger. Zuerst wurde da, wo die Kleedung aufhört, eine Kausche eingeklebt, und zwar so, dass noch knapp ein halber Zentimeter Platz bis zum Beginn der Kleedung ist. Dann habe ich mit dem Kleedegarn freihändig ganz eng von der Kausche ausgehend das Tau umwickelt; das lange Ende, welches nicht mehr gebraucht wurde, habe ich exakt in Höhe des Beginns der Kleedung gekappt. Dadurch ist die "Wickelbeule" wohltuend klein geblieben.

Jetzt habe ich ein kurzes Stück gekleedetes Tau genommen, um das Auge zu formen, mit dem der Hanger über den Masttop gelegt wird. An den Stellen, an denen sozusagen die Augenwinkel sitzen, habe ich mit Sekundenleim getränkt. Nun wurde ein Stück neben diesen Klebestellen Schnipp-Schnapp gemacht. Es passierte das, was passieren sollte: Die alte Kleedung wickelte sich auf. Aber eben nur bis zur Leimstelle.

Alte Kleedung runter, das darunter befindliche Tau aufdröseln und nur eine Ader stehen lassen, diese dann durch Umwickeln mit frischem Kleedegarn an den Hanger bindseln - fertig! Der alt-neu-Vergleich lässt deutlich den Qualitätsunterschied erkennen.

Und da hängt er nun, der neue Hanger, und wartet auf seine beiden Seitentakel. Die beiden Leitkragen mit den Blöcken, von denen ich gestern schrieb, sind nun auch dran. Der Einfachblock oben ist für das Großstenge-Borgstag, der Doppelblock unten für die Groß-Bulien. Auch hier folgt die Erklärung später.

Jetzt kann es aber wirklich bald losgehen - sobald die Seitentakel dran sind.

19. Dezember 2016

Aber nein - so schnell geht's dann doch nicht. Das Wichtigste an so einem tollen Buch wie das von Kaus Schrage ist, dass man es auch lesen kann. Sollte man auch tun! Weil, wenn man das gründlich tut, findet man schnell heraus, wie lang so ein Hanger zu sein hat. Mein gestern so schön neu gebauter war jedenfalls zu lang...
Also nochmal neu gemacht. Zum Glück brauchte ich nur die Kauschen ein Stück höher neu einbinden; der Trick mit dem Sekundenleim und dem Aufdröseln der Kleedung bis zum Leimpunkt hat auch hier funktioniert. Witzigerweise war er nach dieser Operation wieder genauso lang wie Version 1.   Aber das war es dennoch wert, denn auf jeden Fall sieht er viel besser aus. So kommt jetzt endlich...

 

Das erste Seitentakel

 

Nun konnten denn also die dazugehörigen Seitentakel hergestellt werden.  Am Anfang sieht es nach einem ziemlichen Durcheinander aus, aber hat man erst die richtigen Enden gekappt und alles in Form gebracht, bekommt das Gebilde Struktur. Und dann am Mast selbst schaut es schon gut aus, wenn auch noch nicht so, wie es mal sein soll.

 

28. Dezember 2016

Was so ein kleines Detail wie ein Seitentakel doch für ein ständiger Quell von Beschäftigung sein kann! Aber an sich nur der Aufhänger für generelle Entscheidungen, ausgehend von Hinweisen, die ich so bekommen habe.
Zuerst einmal habe ich sämtliche Blöcke, die ich beim Chuck gekauft habe, dunkel gebeizt. Dann habe ich mich entschieden, auch das Garn, welches ich für das laufende Gut nehme, etwas nachzudunkeln; das entspricht wesentlich mehr den historischen Gegebenheiten.
Und mit dem einen Stropp war ich auch nicht so richtig zufrieden, also wurde der nochmal gemacht.
Jetzt aber stehen beide Seitentakel des Fockmastes, und da bleiben sie auch. Dachte ich so beim Betrachten der Version im ersten Bild. Als ich das Bild aber dann am PC betrachtete, dachte ich, da stimmt was nicht. Klar doch: Die beiden Doppelblöcke sind viel zu weit unten! Aber da ich ja die Arbeitstakel noch nicht endgültig befestigt, sondern lediglich um zwei Timberheads gewickelt hatte, konte ich hier problemlos korrigieren. Zwar musste ich dann bei dem Takel, welches direkt auf dem Rüsteisen in einen Augbolzen eingehakt wird, das Ende kürzen und den Haken neu einfassen, aber das war jetzt nicht so viel Arbeit.
Und jetzt sieht's gut aus, und da sind, denke ich, auch Schrage und Co. zufrieden.

 

Endlich! Die ersten Wanten!

 

31. Dezember 2016

Ich wollte es unbedingt noch im alten Jahr schaffen, wenigstens das erste Wantenpaar anzubringen.  Und es ist mir gelungen!

Dem aufmerksamen Beobachter (den Beobachterinnen auch...) wird es auffallen, dass ich meine Rüstjungfern schwarz gefärbt habe. Auch das war wieder Ergebnis von Recherche und einer Diskussion mit Leuten, die gefühlt seit 1000 Jahren nichts anderes machen als ein historisches Segelschiff nach dem anderen zu bauen. Und guckt man sich die Victory in Portsmouth an, sieht man, dass es dort genau auch so ist.

Das Einbinden der Wantjungfern ist ein Geduldsspiel. Schließlich sollen ja diese Jungfern später alle den gleichen Abstand zu den Rüstjungfern haben, also heißt es immer wieder probieren, zusammenbinden, aber nicht zu fest, schauen, korrigieren... Ich brauchte einige Versuche, ehe ich wieder "drin" war. Das Taljereep, also das Tau, welches die Jungfern verbindet und mit dem man die Wanten schön straff setzt, habe ich aus drei 0,1mm starkem Amati-Garn geschlagen und dann noch etwas eingefärbt. Die Vorgabe lautet, dass das Taljereep in etwa halb so stark sein soll wie die Wanten. Das kommt bei mir rein optisch hin, real nicht ganz, da die Wanten aus 3x 0,5 mm geschlagen sind. Aber wenn ich das Taljereep noch dicker gemacht hätte, hätte ich Mühe gehabt, dies durch die Löcher in den Jungfern zu bekommen. Und ich finde, so sieht es richtig gut aus. Jetzt kann die Silvesterparty beginnen!

 

1. Januar 2017

So, man ist ja oft heute schlauer als gestern und im neuen Jahr weiß man mehr als im alten: Die Tauenden der Wanten kreuzen die Wanten immer auf der Innenseite, nicht außen! Das hab ich also falsch gemacht. Nun ja, bei normalem Betrachtungsabstand erkennt man das nur mit superguten Augen und optimalen Lichtverhältnissen. Dennoch, bei den nächsten Wanten wird das selbstverständlich beachtet. Die beiden Wanten bleiben aber so, basta!

Und falls jetzt jemand nicht weiß, was gemeint ist: Beim Einbinden der Wantjungfer in das Wanttau wird dieses von außenbords gesehen rechts an der Jungfer im Uhrzeigersinn um die Jungfer gelegt. Das Ende des Wanttaus wird dann innen, also hinter die von oben kommende Part, geführt. eine Bindselung am Kreuzungspunkt sichert das ganze erstmal; die Kunst besteht jetzt darin, exakt den richtigen Punkt zu finden, um zu erreichen, dass alle Jungfern in gleicher Höhe sind. Manche Modellbauer fertigen sich dafür die verschiedensten Hilfsmittel; ich bin dazu vielleicht zu blöd oder auch einfach zu faul und fummele eben so lange, bis es passt. Klingt jetzt etwas schräg, aber es ist nicht so schlimm wie man denkt, und man bekommt da recht schnell Routine.

Auf dem ersten Bild sieht man gut, was mit der Führung des Tauendes innen entlang gemeint ist; schaut man nochmal auf das erste Bild über diesem Text, erkennt man speziell am rechten Want, dass es dort außen lang läuft.

Ein paar Stunden später war dann Fockwantenhalbzeit - vier von acht Wantenpaaren waren dran. Hier und da muss noch ein klein wenig nachgespannt werden, da stimmt die Höhe noch nicht hundertprozentig, aber das ist kein Problem. Im Laufe des Baus wird sowieso noch einige Male nachzuspannen sein.

 

 

8. Januar 2017

Wer bisher meinen Baubericht aufmerksam gelesen hat, wird sich über das, was ich jetzt zeige, nicht mehr wundern. Es wurde wieder einmal etwas abgerissen, weil es nicht mehr gefallen hat...

Ausgangspunkt war das Taue schlagen. Die Taue für die Taljereeps, die ich mir selbst gefertigt hatte, wollten mir nicht so richtig gefallen. Ich hatte versucht, sie enger zu schlagen, was mir aber nicht gelang, es war zum verrückt werden. Gut, wenn man solche Modellbaufreunde wie den dafi hat (den, von dem die tollen Ätzplatinen kommen). Mit ihm hatte ich am Tag zuvor telefoniert und ihn bei der Gelgenheit gleich mal zum Reepen befragt. Und siehe da, er hatte die Lösung! Ich war einfach zu zaghaft beim Verdrillen der für diese speziellen Taue sehr dünnen Einzeladern gewesen. Jetzt bekamen meine Taue plötzlich genau das Aussehen, was ich mir gewünscht hatte, und so wurden gleich mal genügend für alle Wanten des Schiffes geschlagen. Anschließend habe ich sie mit schwarzem Tee eingefärbt. Und dann kam, was kommen musste: Die "alten" Taljereeps mussten weg! Als Bürger im Land der Dichter und Denker fiel mir spontan sogar ein Vers dazu ein:

Was gestern noch Gefallen fand,
ist heute nur noch schnöder Tand.
Schon naht die große Schere jetzt,
hat alles wieder weggefetzt.

Die neuen Taljereeps sehen wesentlich besser aus - nun bin ich zufrieden - und ich gehe davon aus, dass sie jetzt an Ort und Stelle bleiben...

 

15. Januar 2017

Ich durfte jetzt lernen, dass nicht nur das stehende Gut geteert wurde, sondern auch Teile des laufenden Guts, wenn auch nicht so intensiv wie das stehende. Ich zitiere hier mal einen Fachmann:
"Alle Stricke, die in Bereichen angebracht waren, die mit Meerwasser in Berührung kamen, waren grundsätzlich durch die Verwendung von Stockholmteer geschützt. Die einen mehr (Wanten, Stage, Wasserstage, Pardunen), die anderen weniger (Taljen, Takel usw.), also Tauwerk, das bewegt werden mußte, aber nicht zum "Laufenden Gut" gehörte. Takel und Taljen wurden mittelstark geteert, Laufendes Gut leicht, und Stehendes Gut stark geteert "
Und ein weiterer Fachmann meint: "Die hellen Taljen an Modellen sind ein Fauxpas, der sich durch alle Modellbaugenerationen durchzieht."
Ich habe gute Gründe, diesen Leuten zu glauben.  Und es gibt sehr schöne Modelle, die dunkle Taljereeps zeigen. Es gibt aber auch wunderschöne und historisch auch sehr genaue Nachbauten, wie z.B. die schwedische Fregatte Gotheborg: In diesem Video wird so etwa ab 3:00 gezeigt, wie sie die Wanten nachspannen - mit geteerten Taljereeps.
Und so wird wieder mal was abgeändert... Die eben noch hochgelobten neu geschlagenen Taljereeps kommen nochmal ab, nehmen ein Tauchbad in extrem dunkler Beize und dürfen dann wieder an Bord.
Im Bild mal der Vergleich Alt - Neu. Der damalige Teer war ja nicht schwarz, sondern eher von dunkler brauner Farbe. Und wenn denn solche Taue wie die Taljereeps nur mittelstark geteert wurden, könnte es so ausgesehen haben wie jetzt an meiner Mercury. Eins von den bisherigen Taljereeps habe ich daneben über die Rüstjungfern gelegt.

Wer jetzt aufmerksam mitgelesen hat, könnte sofort einwenden, dass, wenn das mit der Farbe des Teers damals stimmt, meine Wanten auch nicht schwarz sein dürften. Stimmt! Aber die bleiben so - irgendwo ist da eine Grenze, die ich nicht überschreiten will.  Beim nächsten Schiff wird das dann aber beachtet.

 

Immer nur Wanten setzen? Mal eine kleine Abwechslung

 

21. Januar 2017

Heute hatte ich ein kleines Päckchen in der Post: Nachschub an Takelgarn, da ich ja etliche Taue neu schlagen will, und ein feines Kettchen. Das gab mir Gelegenheit zu einem kleinen Intermezzo - wer will schon immer nur Wanten anbringen...
Weiter vorn hatte ich ja gezeigt, wie ich die Sorgleine angebracht hatte: Falsch! Sie hing zu sehr durch, hätte so teilweise ständig im Wasser gehangen, was dem Material ja nicht wirklich gut tut. Damit jetzt niemand hektisch in meinem Baubericht blättern muss, zum einen die Erklärung und dann das Vorher-Nachher-Bild:

Ich zitiere mich mal selbst: "Sorgleinen? werden jetzt einige fragen, was soll das denn? Nun, ich habe ja eben erläutert, wie das Ruder am Achtersteven befestigt wird. Nun stellt euch vor, es ist rauhe See, Brecher treffen auf das Schiff, schütteln es unkontrolliert durch. Da kann es schon mal passieren, dass das Ruder aus den Scharnieren springt - und dann ist Platsch und Geschrei und Ruder weg. Nicht aber, wenn man eine Sorgleine hat!  Die war zumeist keine wirkliche Leine, sondern eine Kette. Das wusste auch Shipyard und hat eine Kette aus Messing mitgeliefert. Nach dem Brünieren sah sie gut aus, und witzigerweise ging sie mir beim Rausholen aus der Brünierbrühe kaputt - und das so ziemlich in der Mitte. Passend, wollte ich sie doch eh teilen. Zur Befestigung am Schiff habe ich die beiden Teile jeweils an beiden Enden mit einem kleinen Augbolzen verbunden."

Auf dem ersten Bild ist deutlich zu sehen, dass die beiden Ketten zu tief hängen. Ich hatte mich schlau gemacht und gelernt, dass es verschiedene Befestigungsvarianten gibt. Außerdem erfuhr ich, dass die Sorgleinen auch dazu dienten, im Falle von Störungen an den Rudertaljen mit ihnen eine Art Notsteuerung zu realisieren. Ein Modellbaukollege hatte mich in dem Zusammenhang damals darauf hingewiesen, dass die Sorgleinen mittels weiterführender Taue an den Rumpfseiten belegt wurden. Ob ich diese Taue noch anbringe, weiß ich noch nicht - die Historiker-Experten führen dazu höchst interessante Diskussionen, die ich jetzt hier aber nicht referieren möchte. 
Mir war wichtig, die Sorgleinen neu zu bauen; mittels der Kette aus meiner heutigen Lieferung war das dann auch möglich. Ist gar nicht so einfach, so eine feingliedrige und vor allem wie eine Schiffskette und nicht wie geklauter Schmuck aussehende Kette zu bekommen. Also, da gab es ja eine Goldkette im Schmuckkästchen von Mrs. Bonden, aber sie wollte mir partour nicht gestatten, diese ins Brünierbad zu schmeißen und anschließend an meinem Schiff anzubringen. Frauen sind manchmal schon ein wenig seltsam...
 Bild 2 zeigt: Jetzt baumeln die Ketten nicht permanent im Wasser; so soll es sein.

 

5. Februar 2016

Es geht derzeit recht langsam auf meiner Werft voran, obwohl ich jedes Wochenende fleißig am Werkeln bin. Aber heute kann ich mal wieder eine kleine Erfolgsmeldung verkünden: Die Unterwanten am Fockmast stehen jetzt alle!
Es gab ein paar sehr zeitintensive "Besonderheiten", so manche Wantjungfer wurde bis zu dreimal eingebunden und dann wieder gelöst... Den meisten Spaß hatte ich, als sich eine der Rüstjungfern vom Rüsteisen löste. Und dazu die Preisfrage: Mit Blick auf den Fockmast - wo passiert sowas, wenn sowas passiert? Richtig: Genau hinter dem Schweinsrücken/Ankerscheuer!  Also musste ich den seeeehr vorsichtig abpulen, das Rüsteisen reparieren bzw. ersetzen und dann wieder das Teil dranpappen. Immerhin, man sieht nichts mehr davon. Ein Glück auch... 
Im Schnitt benötige ich je Wantpaar zwischen einer und zwei Stunden.
Kleinere Abweichungen bei der Höhe der Wantjungfern werden beim späteren endgültigen Steifsetzen noch korrigiert. Darüber hinaus bin ich da voll und ganz bei einer Kartonmodellbaufreundin, die zu diesem Thema anderswo schrieb:

Die Vorstellung von schön gleichlangen Taljen an den Rüsten ist Modellbau-Ästhetik. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie nervig dieses Naturfaserzeugs war: wenn die Wanten nass warn, hingen sie durch und mussten nachgespannt werden. Trockneten sie, zogen sie sich wieder zusammen und spannten extrem, mussten also wieder gelöst werden. Ja, sogar das Herumschwanken in der Flaute tat dem Tauwerk nicht gut: Zug - Lose – Zug – Lose … Natürlich reckten sich die Wanten und Pardunen nicht alle gleich, also waren dann auch die Taljen nicht schön ausgerichtet. Aber sooo realitätsnahe muß es ja nicht sein.

Recht hat sie!

 

Und hier die Bilder. Das letzte zeigt, wie richtig es war, dass ich mir die Kleedemaschine gekauft habe. Ich formulier es mal so: Das sieht einfach nur geil aus!